Der Petersburger Dialog 2012 fand nach einigem Hin und Her in Moskau statt. Tagungsstätte war das altehrwürdige Hotel Ukraina, das in einem der Sieben Schwestern Stalins beheimatet ist. Dank fast langjähriger Renovierung war es so luxeriös wie eh und je.
Der Dialog begann am Mittwoch Abend mit einer Pressekonferenz und anschließender Eröffnungrede durch die Vorsitzenden der Lenkungsausschüsse Viktor Subkow und Lothar de Maiziere. Beide betonten, dass der Dialog allen Gerüchten zum Trotz kein Auslaufmodell sei. Um dem Vorwurf der Überalterung zu begegnen wurden in diesem Jahr erstmals jeweils zehn TeilnehmerInnen zwischen 20 und 30 Jahren aus Russland und Deutschland über eine Ausschreibung ausgewählt. Was genau mich zu einer der zehn deutschen TeilnehmerInnen gemacht hat, habe ich allerdings nicht herausgefunden.
Die Festreden sollten eigentlich dem Thema des Dialogs – Die Informationsgesellschaft vor den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – folgen, aber da setzen bei mir schon die Kulturunterschiede ein. Während ich dem russischen Redner zur Energiegewinnung der Technik der Zukunft nicht so ganz folgen konnte, war der Vortrag von Wolfram Weimer zur Mediendemokratie – auch dank der vielen Bilder – sehr kurzweilig und interessant. Auf seine Anregung – Ein Ereignis hat nur stattgefunden, wenn es ein Foto davon gibt – habe ich einige Bilder in den Artikel eingefügt. Im Anschluss wurde der Peter-Boenisch-Preis verliehen, seit 2006 vergeben in Erinnerung an den Mann, der den Dialog wie kein anderer prägte.
Aber erst auf dem dann folgenden Empfang, der viele Stehtische und noch mehr Häppchen mit allen Anwesenden in einem Raum verhieß, zeigte, was Dialog hier eigentlich bedeutet. Denn abseits der Simultandolmetscher entstanden hier Gespräche zwischen Nationalitäten, Kulturen und Generationen. Viele kannten sich von früher oder andersher, andere waren neu und blieben es nicht lange. Um ehrlich zu sein: mir schwirrte ganz schön der Kopf. Ich meine, kann man die denn alle einfach so ansprechen?! Am besten hält man es da mit der russischen Redewendung „да нет наверно“ (ja nein vielleicht) und lächeln hat auch geholfen.
Erst der nächste Tag hat mich aber auch von der fachlichen Bedeutung des Dialogs überzeugt. In acht Arbeitsgruppen wurde geredet, diskutiert, gestritten und diplomatisch formuliert.
Ich war in der Arbeitsgruppe Medien, die von deutscher Seite erstaunlich schmal besetzt war. Woran das lag, habe ich nur gerüchteweise gehört und gleicher Quelle ist auch die Meinung, dass es dieser Mal überraschend gut lief. Angeblich habe es vor einigen Jahren einen ziemlichen Eklat gegeben wegen der Situation des Journalismus in Russland. Davon war am Donnerstag jedoch nichts zu spüren. Die Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit dem deutschen System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und erläuterte die Entwicklung eines Gesellschaftsrundfunks in Russland. Danach wurde es dann schon etwas gefühlvoller, nämlich zum Thema der journalistischen Ethik. Ich habe lediglich ein wenig geschwankt als die Gruppe überlegte, dass Ethik im Netz extra zu betrachten sei und nichts mit Journalismus zu tun habe. Da wußte ich dann auch, warum man dringend eine neue Generation mit am Tisch braucht. [Mehr zu den Ergebnissen der Arbeitsgruppen wird es in einem eigenständigen Beitrag geben.]
Am Nachmittag gab es eine weitere Neuerung: drei Diskussionsplenen, die sich mit aktuellen Themen beschäftigten: „Die Mittelschicht als Stabilisator des gesellschaftlichen Fortschritts“, „Die Kunst einander zuzuhören-brennende Diskussionsfragen“ und „Wutbürger – Neue soziale Bewegungen in Stuttgart und Moskau“. Ich habe mir letzteres angehört, da meiner Meinung nach hier der Medienbezug unübersehbar ist. Nach vier Impulsreferaten durfte dann jeder mal seine Meinung sagen, aber es ist zu viel verlangt, dass innerhalb von 1,5h eine rege Diskussion zwischen 20 Leuten entstehen soll.
Zur Abschlusssitzung am Freitag und zum Besuch im Kreml inklusive Putin und Merkel „in echt“ wir es einen gesonderten Beitrag geben, nur so viel sei gesagt: am Ende waren alle ganz glücklich, wenn auch jeder aus individuellen Gründen.
Was kann ich nun nach knapp drei Tagen Petersburger Dialog sagen?
Ich glaube, das Wichtige an dieser Konferenz ist tatsächlich das Miteinander-Reden. Inhaltlich hatte ich keine Erleuchtung, aber zu sehen, dass die Schwächen und Stärken, die mir in meiner Arbeit bei deutsch-russischen Projekten sozusagen an der Basis begegnen, zu sehen, dass alle die Probleme und Lösungen auch in anderen Zusammenhängen und Dimensionen stattfinden, hat mich sehr beruhigt und mir – klingt pathetisch, ist aber so – Kraft gegeben für weitere Projekte. Denn im Grunde genommen gibt es nur eins, dass uns zusammenbringt: miteinander reden.