Vergangene Woche habe ich meinen ehemaligen Kinderradio-Kollegen Markus unterstützt. Er ist mittlerweile Deutschlehrer für Flüchtlingeskinder in einer Integrationsklasse und musste jetzt in den Sommerferien noch ein zusätzliches Deutsch-Projekt machen. Er hat – quasi in alter Tradition – einen Radioworkshop draus gemacht. Und ich durfte ihn unterstützen.
Die ersten drei Tage haben die 10 Jugendlichen gelernt, sich auf deutsch vorzustellen und über ihre Familie, Hobbys und jetzige Wohnsituation zu erzählen.
Am Donnerstag und Freitag habe ich dann die Gruppe radiotechnisch verstärkt. Ich habe vor allem die Arbeit im Studio betreut. Die Gruppe hatte sich entschieden, nicht über ihren Weg nach Deutschland und die Gründe für die Flucht zu erzählen – das sei zu traurig, meinten die Jungs. Sie alle sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (der jüngste 12, die ältesten werden bald 18) und leben zur Zeit in Wohnheimen in Hettstedt und Umgebung. Alle sind mit Booten gekommen, und viele haben, so zumindest erzählte es mir der Betreuer, eine sehr traumatische Zeit hinter sich. Sieht man ihnen aber überhaupt nicht an. Sie wirken im ersten Moment wie ganz normale, desinteressierte Jugendliche, die alle lieber Fußball spielen statt schreiben wollen.
Aber auf den zweiten Blick fällt auf, dass einer schlecht hört – neben seinem Haus war eine Bombe explodiert, er ist jetzt fast taub. Es kann aber auch sein, dass die Schädigung durch die Folter der Taliban kommt. Andere Jungs reagieren bei bestimmten Tonlagen seltsam – sie haben schlechte Erfahrungen gemacht.
Mit diesem Wissen ist es einfacher, die ganze Sache locker zu nehmen. Diese Menschen haben nur noch ein Ziel: ihre Familie nachzuholen. Die kann man mit nichts mehr schocken. Disziplin und sowas verrücktes zu verlangen, war also völlig fehl am Platz.
So haben wir denn zwei ganz entspannte Vormittage gemacht. Mit Musik. Denn das war das, worauf sich alle einigen konnten – sie wollten ihr Musik vorstellen. Und das haben sie dann auch gemacht. Wir haben am Freitag eine Live-on-tape-Sendung aufgenommen, bei der alle Jungen kurz etwas gesagt und ein Lied gespielt haben. Die Sendung lief bereits am vergangenen Sonnabend auf Radio Corax. Wir haben noch ein klitzekleinesbisschen nachgeschnitten, aber im Grunde waren sie super gut.
Bei mir hat sich nochmal der Eindruck verfestigt: Wer sich auf den Weg so einer Flucht begibt, der hat allen Grund dazu. Den können wir niemandem absprechen. Stattdessen sollten wir die Arme weit öffnen und helfen, wem und wo wir können.